Mit den Worten: «August – da müssen wir etwas machen, dann sind doch die besten Tage im Jahr» habe ich (Oli) mich bei der Programm-Umfrage der GV22 spontan für die Organisation eines Anlasses «h&f Graubünden 19/20 August» gemeldet.
Zur Vorbereitung habe ich mir Gipfelziele im ganzen Bündnerland auf der Karte angeschaut. Anreise, Aufstieg, Startplatz/Terrain/Ausrichtung, Lokale Windysteme, Landeplätze, Übernachtungsmöglichkeiten, zweiter Tag, Rückreise… Da kommen ein paar Positionen zusammen, die passen sollten. Ein paar Ideen hatte ich dazu, aber richtig glücklich wurde ich mit keiner der bedachten Optionen. Da nehmen sich ein paar Kollegen extra ein Wochenende raus – es sollte schon etwas Gescheites veranstaltet werden.
Bei der Rückbesinnung auf meine GV-Wortmeldung gelange ich zur Erkenntnis: Ich sollte etwas organisieren, wo ich bereits etwas Erfahrung habe und die Bedingungen kenne. Es soll vor allem ums fliegen gehen. Auf hohe Gipfel steigen können wir bei anderen Anlässen. Die Organisation von mehrtägigen Hochtouren überlasse ich versierteren Bergsteiger-Clubmitgliedern. Bähnli sollen kein Tabu sein. Dann überlegen sich die Teilnahme auch Kollegen mit weniger «Raufsteiger-Ambitionen».
Die Surselva liegt mit diesen Kriterien nahe. Da habe ich in meinen «ambitioniertesten« Piloten-Jahren (lange ist’s her) einige meiner weitesten Flüge vollbracht. Ein Tal mit ÖV wegen dem Absaufrisiko, keine zu starken Talwinde, etliche Startplatz-Optionen, einige Bahnen… Im August ist am Alpenhauptkamm Streckenflieger-Hochsaison. Es kann dann thermisch ziemlich heftig abgehen, was ich in letzter Zeit nicht mehr so gesucht habe. Aber ich will es nochmal wissen. An einem Tag das Tal hoch und am nächsten Tag wieder runter, das sollte für mich doch noch möglich sein. Ich will mich wieder mal zusammenreissen.
Die Organisation ist mit dieser Idee dann schnell gemacht. Cassons, Startplatz 1. Tag. Die Bahn gibt’s nicht mehr, also ein willkommenes h&f Ziel. Wanderung ab Bargis über den Flimserstein. Wer will kann per Bahn abkürzen. Disentis, hinten im Tal als Tagesziel. Am zweiten Tag z.B. zum h&f-Startplatz Plaun Tir über Disentis, ebenfalls per Bahn abkürzbar. Flug zurück und heim – so der Plan.
Schön, haben sich auf die Ausschreibung fünf Clubmitglieder angesprochen gefühlt und Zeit gefunden. Daniel, Suresh, Armin, Stefan, Alex und Oliver (Org.) sind mit von der Partie. Zudem gesellen sich zwei geschätzte Iisvögel-Ehefrauen zu unserem Grüppli. Gut so, denn sind Frauen dabei, ist auch die Wahrung der guten Sitte sichergestellt.
Die Wetterprognosen sehen gut aus – samstags vielleicht etwas zuviel Nordwind für einen Start ab Cassons . Also wird der Treffpunkt am Bergrücken des Piz Mundaun, auf der gegenüberliegenden Talseite, in Vella im Lumnez vereinbart. Geflogen bin ich dort noch nie, aber gelobt wurde diese Gegend schon oft. Sie soll der Region Flims in fliegerischer Hinsicht in nichts nachstehen. Bei den Schweizermeisterschaften vor einer Woche, wurden die Tasks bei Nordwind-Lagen in diese Region gelegt.
Meiers sind bereits beim Kaffee in Vella, als sich die per ÖV angereisten Frühaufsteher einfinden. Zur Begrüssung, zum Znüni und zum Eincremen unter den belieben Sonnenstoren. Hitzetage sind angesagt – gut sind wir in den Bergen! Suresh war kürzlich hier für eine Woche im Kindlimann-Gleitschirm-camp. Wir haben also sogar einen Insider dabei. Dann gehen wir los, bis Triel zur Zwischenstation zum Znüni Nr.2. Wir haben keine Eile, Thermik gibt’s ja erst am Nachmittag. Armin gesellt sich in der weiten Etappe zu Alex: Team T&L Punktelieferanten. Die Hitze zollt bereits ihren Tribut. So trifft man sich nach dem Aufstieg bei der Bergstation Hitzeggen (der Name ist Programm) zum «Parawaiting». Die Thermik lässt auf sich warten. – Hoch fliegt endlich einer von den Brigelserhörnern kommend in unsere Richtung – kollektive Beobachtung! Wie es wohl mit Ihm auf unserer Talseite weitergeht? – Kaum ein zucken in seiner Kalotte, er schleicht auf unserer Höhe vorbei …tja.
Suresh wagt es dann als Erster – und setzt «aus bitterer Erkenntnis» bald wieder ein Stück unterhalb zur Landung an. Alex’ Versuch ist erfolgreicher. Er dreht einen Schlauch aus, gleich vor dem Startplatz (wenn man diesen kuppiert – verbuschten Hang so nennen will), bis zur Wolkenbasis. Es geht also! Einer nach dem anderen macht sich bereit und startet. Mein erster Versuch, nach langem warten in Vollmontur und bei doch zu lauem Lüftchen, endet glimpflich zwischen Kuppen und Büschen… Eine «gute Ablösung» braucht es schon um hier rauszukommen. Mein zweiter Versuch ist erfolgreich und bringt mich bald in schöne Höhen und weiter via Sezner Richtung Disentis. Bald finde ich mich im Flugmodus Streckenfliegen. Zwischen Thermik suchen und -drehen (oder weitersuchen weil zu schwach, oder zu ruppig) und Talquerung mit Beschleunigen wegen sinken und Hoffnung auf die nächste Thermik am Gegenhang…). Eine riesige, dunkle, ausbreitende Wolke über Disentis lässt Fragen aufkommen. – Abschattung, aber vielleicht auch grossflächiges Steigen…? Ich mache davor genügend Höhe, um der Antwort auf diese Frage nicht zu viel Optimismus zu bevorschussen. So schwebe ich frohlockend, als Erster über dem grosszügigen Landeplatz in Disentis ein und warte auf meine Clubkollegen. Alex gesellt sich bald zu mir und berichtet von seinem schönen Flug und den erstaunlichen Erfahrungen unter dieser Wolke… Dani, Stefan und Suresh nehmen für die Reststrecke die Bahn bis erstaunlich nahe zum Treffpunkt Nangijala Bar. Christine und Sandra sind nach ihrer Wanderung am Piz Mundaun auch angereist. Während dem Landebier erkennen wir dann endlich auch Armin im Anflug. Sein zweiter Versuch ab Hitzeggen war erfolgreich. – So sind wir wieder komplett.
Im Nangijala guest house beziehen wir unsere Zimmer. Frisch geduscht geht’s zum Nachtessen in der Catrina Lodge beim Landeplatz. Eine gute Wahl zum Essen und Trinken und Quatschen auf der Terrasse neben einer Reihe Boliden vom Oldtimer Treff Surselva. Den obligaten Absacker gibt es dann zurück auf unserer Hausbar-Terrasse. Zufrieden und müde geht’s zu Bett.
Beim sonntäglichen Frühstücksbuffet, welches in seiner Art für ein paar Irritationen bei uns sorgt, besprechen wir die Varianten der Startplätze für heute und die möglichen Zustiege. Aufgrund der allzu warmen Wander-Temperaturen und den verlockenden, automatisierten Zubringern, entscheiden wir uns für eine Bahnfahrt nach Gendusas, dem Wettkampf-Startplatz. Alex steigt mit uns noch hoch auf ein «Bödeli» von wo bereits eine Flugschule ihre Morgenflüge absolviert. Die restliche Truppe wandert weiter, über La Muotta, einen Felsrücken mit wunderbarem Panaromablick bis nahe Lai Alv, wo wir uns verpflegen, die ersten aufsteigenden Schirme beobachten und uns für den bevorstehenden Flug mental vorbereiten. Unsere «jungen Wilden» besprechen die möglichen Varianten des Heimflugs, hinüber ins Glarnerland via Sandpass beim Tödi oder der Bifertenlücke. Armin nimmt Walenstadt als Ziel ins Visier. Daniel schliesst sich meiner Zielformulierung an; die Surselva hinunter nach Flims.
Alex steigt bereits vor uns Richtung Himmel und macht erst mal eine Aufwärmrunde Richtung Oberalppass. Nach Suresh wage ich dann auch bald den Absprung und es geht wie erwartet flott nach oben. So flott, dass ich den Schlauch nicht ausdrehe, sondern in dieser grosszügigen Thermik bald Richtung Osten fliege und einige Aufwind nutze, um delfinierend im Geradeausflug Höhe zu halten. So fühlt sich ein Hammertag an 😊 Ich bin mir bewusst, dass ich nicht zu viel Höhe verschenken sollte um auf keinen Fall frühzeitig unter 2000m zu sinken. Die Thermikprognosen und auch Talwind drohen dort mit Absaufrisiko. Also fliege ich bald etwas vorsichtiger und mache vor den Talquerungen genügend Höhe, um jeweils über der nächsten Krete anzukommen. Ein Adler überholt mich. – Den Beschleuniger will ich nun auch vermehrt einsetzen. Bei den Brigelserhörnern, am Piz Dado, ist die Thermik ziemlich ruppig. Das war hier schon jedesmal so. Bei markanten Taleinschnitten muss ich darauf gefasst sein. Aber ich will weiterkommen, muss mich zusammenreissen und drehe auf.
Zum Glück – bald geht es nicht mehr ganz so selbstverständlich weiter. Statt steigen registriere ich nun anhaltendes sinken, komme tiefer und muss mich nun richtig anstrengen um mein Ziel noch zu erreichen. Vor dem letzten Bergrücken vor Laax habe ich bereits Erfahrung mit «Absaufen». Doch nun erinnere ich mich an Suresh, der gestern den Tipp mit uns teilte: Flieg zu den Hochspannungsleitungen – da geht es hoch. Damit hat er es kürzlich bis nach Bilten geschafft. Und tatsächlich finde ich die Aufwinde, welche mich bis in die gefühlte Höhe bringen, Flims zu erreichen. Nun nur noch entspannt gleiten. – Kaum habe ich diesen Gedanken gefasst, fliege ich beim Crap Sogn Gion in einen ungebetenen Hammer, den ich händeringend durchfliege, um meinen Schirm offen zu halten. Die getankte Extrahöhe reicht nun ein Stück über Flims hinaus und ich nehme Trin Mulin ins Visier. Eine Landung nahe dem Crestasee scheint mir bei dieser brütenden Hitze perfekt. Im See gönne ich mir nach der Landung eine Abkühlung und freue mich, mein Ziel auch heute erreicht zu haben.
Gespannt lese ich die whatsapp-Nachrichten meiner Clubkollegen und wie es Ihnen ergangen ist. Suresh konnte heute seinen Exploit Richtung Bilten leider nicht wiederholen und «groundet» gefolgt von Daniel, der mit seiner Leichtausrüstung angetreten ist, in Trun.
Stefan dreht im Startschlauch bis zur Basis, nimmt viel Höhe mit zum Bifertenstock und überfliegt diesen nach einem weiteren Lift. Die Landung danach in Nidfurn im Glarnerland nach ganz langem Gleiten hat er sich nach seinem tollen Start näher an Zuhause vorgestellt. Der weitere Verlauf der Route nach dem Biferten wird beim nächsten mal sicher gründlicher geplant.
Alex hällt uns Gelandeten mit Fotos und Text! über seine aktuellen Flugphasen bei Laune. Er macht es nach dem Überflug vom Tödi besser und quert den Urnerboden, um via Ortstock und Vrenelisgärtli am Wiggis nochmal Höhe zu tanken, für einen langen Endanflug quer über die Linthebene bis Uznach. Seine kühnen Träume, die er im «Nangijala» geträumt hat, haben sich erfüllt.
Genauso Armin, der seine Ansage wahr macht wie ein souveräner Telefonjasser. «Walenstadt aagseit, Walenstadt gmacht – Differenz = 0»
Bilder von Alex und Armin zeigen, in welchen Höhen und mit welch spektakulären Ausblicken geflogen werden konnte.
Auch die Damen haben den Tag genossen und die Naturschönheiten der Surselva von nahem betrachtet.
So geht das iisvogel-Wochenende in der Surselva als Erfolg in die «Geschichts-cloud» ein, mit riesigem Wetterglück, welches uns einen dieser seltenen «Hammertage» am Sonntag beschert hat. Ich nehme mir vor, das Glück herauszufordern und auch im nächsten Jahr einen iisvogel-Anlass mit hike- und Bahn-Optionen in einem tollen Streckengebiet zur Hochsaison zu veranstalten. Das Bedürfnis danach scheint im Club vorhanden und gibt mir die Möglichkeit, meinen in die Jahre gekommenen, inneren Schweinehund zu reanimieren.