Schon vor einem Jahr stand diese Tour auf dem Programm, fiel dann aber den Launen des Wetters zum Opfer. Beim zweiten Versuch nun sind uns die Wettergötter milder gestimmt. Zumindest für Samstag ist Prachtswetter angesagt. Vom angesagten Föhn am Sonntag lassen wir uns das Wochenende nicht vereiteln.
So treffen sich fünf Iisvögel, Pipo, Gonzo, André, Andreas und ich als Initiant dieser Tour in Fanas zum ersten Höhengewinn per Seilbahn. Mit Kaffee und Kuchen stärken wir uns in der Bergbeiz für den Gipfelanstieg zu einem der wohl meist begangenen h&f-Gipfel, dem Sassauna.
Der Hang zur individuellen Entfaltung der Teilnehmer dieser Gruppe wird schon bald offenbar. So marschieren heute die einen zielstrebig durchs sumpfige Riet zum Südostgrat, wo die Andern sich sicher sind dass der Westgrat doch der bessere Aufstieg sei.
Am Gipfel trifft man sich wieder.
Langsam aber stetig und mit viel Geduld dreht bald der erste Schirm den Südostgrat empor und mahnt uns noch etwas zuzuwarten. Die Inversion unter Gipfelhöhe ist noch zu zäh.
Auch die Segelflieger drehen bald wieder ab.
Wir wollen hier Höhe gewinnen. Das Ziel ist unser Nachtlager, die Schesaplanahütte und die ist per Gleitwinkel nicht zu erreichen.
Etliche Gleitschirmwanderer haben sich nun schon auf dem Gipfel eingefunden. Wir besetzen stoisch das Gipfelbänkli, lauschen den Alpabzügen am im Tal und klopfen Sprüche. Nach den ersten erfolgreichen Vorfliegern startet einer nach dem anderen von uns ebenfalls in die laue Luft hinaus.
Zusammen mit Pipo bin ich bald über dem Berg. Wir fliegen der Krete entlang Richtung Girenspitz in wunderbarer Herbstthermik. Nach der Querung zum Schweizertor geht es wieder schön hoch und weiter zur Drusenfluh – doch hier steigt es nicht wie gewünscht. Bevor ich in tiefen Gefilden kämpfen oder gar einen langen Marsch riskieren muss fliege ich zurück Richtung Schesaplanahütte. Diese erreiche dann auch noch mit komfortabler Höhe. Andreas ist bereits vor der Hütte eingelandet. Ich tue es ihm gleich.
Pipo hat offensichtlich einen anderen Plan und kurbelt sich in Richtung Schesaplana.
Gonzo versucht an der Südwand über der Hütte noch etwas weiter hochzudehen. Der Ehrgeiz weicht aber bald dem Durst und er gesellt sich mit einer Extra-Landeschlaufe zu uns. Nach einigen verwunderten Blicken nach oben, kommt ein „whatsapp-Gruss“ vom Gipfel.
Pipo ist tatsächlich auf dem Schesaplana-Gipfel gelandet – Respekt! Der Start danach war anscheinend anspruchsvoller als die Landung, der Aufwind stramm im Gipfelbereich.
Nach der glücklichen Landung zelebriert Pipo sein fliegerisches „highlight“ erst einmal
indem er seinem Schirm grösste Ehre erweist und ihn so behutsam gepflegt zusammenlegt wie es sonst wohl einzig die Damen in der Endfertigung der Gleitschirmschneidereien tun.
André erreicht die Hütte nach langem Marsch auf Schusters Rappen. Sein Kampf in der Thermik nahm sein Ende beim Brunnen am Fuss des Sassauna.
Das Weizenbier schmeckt danach vorzüglich am Panoramatisch vor der Hütte.
Wir staunen wie der Schäfer in der Ebene mit Trillerpfeiffe seinen Border Collie dirigiert und die Herde zusammen- und den Hang hoch treibt.
Vor dem Essen, zur Feier des sonnig-warmen Tages exklusiv im Alpenblick-Gartenrestaurant, mache ich noch eine kleine Erkundungsrunde und gönne mir eine erfrischende Dusche unter einem sprühenden Wasserfall in den Felsen.
Den Abend lassen wir in der Hütte ausklingen und legen uns nach einem letzten „Schlumi“ zur Ruh (rückblickend eher Unruh… „chrrrrr“).
Beim Sonntagsfrühstück zieht Gonzo nach dem Meteo-Studium das Fazit: es ist keine Wetterprognose zu finden die eine Hoffnung offen lässt für einen Start heute auf der Schesaplana. Föhn bläst in den Bergen. Keine Überraschung.
Wir deponieren die Schirme und steigen leichten Schrittes bergan im leichten Nieselregen.
Wir passieren die Schafherde (mit seinen Hinterlassenschaften), steigen durch markante Felsschichtungen immer höher und sind bald oben an der Krete des Gipfelplateaus. Hier weht der Wind schon recht stark. Wie Aliens durchschreiten wir dann eine Mondlandschaft im windigen Dunst. Das Gipfelkreuz steht nach allen Seiten verstrebt, im stürmischen Nebel.
Wir finden eine erstaunlich windstille Ecke im Lee für eine kurze Rast und beschliessen über den Brandnergletscher (oder was von ihm übrig blieb) zur Mannheimerhütte (DAV) zu gelangen. Vielleicht gibt es dort eine warme Suppe…
Wir steigen hinunter über das Plateau und dann weglos über Schotter hinab. Die Hütte immer in Sicht. Die vom Gletscher verbliebenen Eisflanken und Schotterhaufen fordern uns bei der Wegfindung.
Wir sichten einen roten Stoffhaufen. Der gibt erst Anlass zu wilden Spekulationen. Gonzo unser passionierter Schadenexperte begutachtet das Tuch. Es stellt sich schnell heraus dass wir eine Meteo-Messonde gefunden haben. Entsorgung ist Ehrensache. Pipo nimmt das Tuch und Gonzo verstaut die Sagexschachtel mit der Sonde im Rucksack.
Je näher wir der Mannheimerhütte kommen, desto eindeutiger wird dass sie geschlossen ist.
Wir inspizieren die „offene“ Winterhütte und verpflegen uns aus dem Rucksack.
Gonzo hat sich die letzten 300m gespart zu dieser verlassenen, etwas heruntergekommenen
Hütte zu marschieren. Er wandert schon bald weiter in Richtung Sattel, der den Übergang zum westlichen Abstieg unter dem Salaruelkopf markiert. Wir sehen, wie er sich bald entscheidet den steiler werdenden Brandnergletscher zu verlassen und über die Felsen rechts hochzusteigen. „Wir machen das einfacher“, denken wir, und queren den Gletscher im noch flachen Teil. Den Wegmarkierungen folgen wir teils mit Hilfe von langen Fixseilen über Felsen hinauf bis zur Krete, zurück an die Schweizer Landesgrenze. Doch zum besagten Übergang beim Salaruelkopf müssen wir vier noch einige hundert Meter den Felsen entlang steigen.
Unverhofft stehen wir plötzlich vor einer Gruppe Schneehühner. Wir fotografieren – sie tänzeln ab und geben Ihre typischen Laute von sich. Wir steigen nach – sie fliegen davon.
Begegnungen mit Wildtieren sind immer etwas Besonderes.
Beim „Übergang“ angekommen sehen wir uns nach unserem einsamen Kollegen um. Mit mindestens einer halben Stunde Vorsprung wandert dieser die Serpentinen hinter den steilen Felsen hinab. Die „einfachere Weg-Variante“ war doch die seine…
Spektakulär tut sich der Abgrund unter uns auf – das Schafloch. Der Weg führt uns quer durch die senkrechte Südwand des Salaruelkopf. Fantastische Tiefblicke. Den Stahlseil-Handlauf möchte ich nicht missen. Wer hat bloss hier diesen Weg angelegt?
Bald geht es hinunter, über kiesige Serpentinen, steile Felsen mit Tritten (teils betoniert!)
mit immer üppiger werdender Vegetation. Unser Ziel, die Schesaplanahütte sehen wir schon längst. Auf die Einkehr freuen wir uns. Gonzo erwartet uns schon.
Nach kurzer Entspannung freuen wir uns aber noch auf das Finale unserer Unternehmung.
Hier werden nämlich Trottinett ausgeliehen, mit denen man den langen Weg nach Grüsch hinuntersausen kann. Wir schnallen uns also unsere Gleitschirmrucksäcke an und brettern den Kiesweg hinunter dass es nur so stiebt.
Mit diesem Gaudi endet unsere abwechslungsreiche Tour ins Rätikon. Schön wars Freunde!